15.10.2022

Multiplikator*innen Training SPURENSUCHE GURS

Multiplikator*innen Training „SPURENSUCHE GURS“
– historisch-politische Bildungsarbeit nicht nur an Gedenkstätten

 

An zwei Samstagen im Oktober hat sich eine Gruppe von Multiplikator*innen zusammen mit dem Team des Blauen Hauses intensiv mit den Inhalten und Angeboten auseinandergesetzt, die im Rahmen des Förderprogramms „Jugend erinnert“ in unserer Gedenkstätte entstanden sind. Dazu gehören die Ausstellung „Gurs 1940“, die Videocast-Reihe „Spurensuche Gurs“, daraus beispielhaft die Auseinandersetzung mit den „Film- und Bilddokumenten der Deportation nach Gurs“,  die Stadtführungs-App „Jüdisches Leben in Breisach“, vor allem aber ein digitales Handbuch, das zum Ende des Jahres online geht.

 

Bei dem Training wurde der Entwurf des Handbuchs zum ersten Mal verwendet. Die Teilnehmenden haben die verschiedenen Teile in der Nutzung erprobt und evaluiert. Die Ergebnisse gehen in unsere Endfassung ein.

 

Wir sind gemeinsam auf Spurensuche dieser Geschichte in unserem alltäglichen Leben, inbesondere in Breisach gegangen und haben uns am zweiten Wochenende in der Praxis erprobt. Jede/jeder hat sich mithilfe unserer Ausstellungen, Sammlungen oder Dokumente einen Aspekt im Kontext der jüdischen Gemeinde Breisach oder der Deportation nach Gurs erarbeitet, die sie/er einer Gruppe von Besuchenden vorstellen möchte.

 

 

Beispiele

 

Irmtraud G. wählte aus der Sammlung von Briefwechseln die Korrespondenz der Familie Blum. Aus ihrer Sicht wird in diesen persönlichen Zeugnissen der Alltag und die Not im Lager besonders anschaulich greifbar wird.

 

Zwei Teilnehmende haben exemplarisch einzelne Tafeln aus der Gurs-Ausstellung vorgestellt.

Für Lisa B. stand eine einzelne Biografie im Vordergrund, wie die des Breisachers Ludwig Dreifuss, der selbst nicht in Gurs interniert war, sich aber in der Nähe des Lagers aufhielt und Hilfe für die Menschen hinter Stacheldraht leistete, darunter auch seine Schwester und Mutter. Er gehört zu den wenigen Rückkehrern nach dem Krieg und hat über seine Erlebnisse in Frankreich ein Buch geschrieben. An seiner Person kann ebenfalls erzählt werden, wie mit dem Thema des Holocaust nach 1945 in Breisach umgegangen wurde.

 

Rosita D. machte anhand der Tafeln „Radikalisierung & Zuspitzung“ deutlich, wie rasch jede/r zum Täter oder Opfer werden kann und stellte auch den Bezug zu heute wie zu ihrer eigenen Familiengeschichte her.

 

Liane F. hat aus der Objektsammlung des Blauen Hauses eines der drei Objekte mit Gurs-Bezug gewählt. Das Holzkästchen mit der Aufschrift „Gurs 1942“ enthält geschnitzte Schachfiguren, das durch Zufall in den Besitz von Lianes Großvaters gekommen ist. Erst vor wenigen Monaten hatte sie erfahren, dass er selbst in Gurs interniert war. Sie erzählte anhand des Kästchens die familiäre Fluchtgeschichte und ihre eigene Suche nach Spuren und Antworten. Wir freuen uns, dass sie uns dieses Erbstück für unsere Sammlung anvertraut hat.

 

Valeska W. zeigte anhand des Bierkrugs mit der Aufschrift „H. Günzburger“, welche Verbindungen sich mit Hilfe eines Objekts herstellen lassen. Die Familiengeschichte des Heinrich Günzburger, ein Gastwirt und Brauer im 19. Jahrhundert lässt sich mit einzelnen Stationen der Stadtführungs-App verknüpfen, in der die Familie vorgestellt wird. Auch die frühe Auswanderung in die USA spielt dabei eine Rolle. Eine weitere Anknüpfung zur Familiengeschichte ermöglicht der Besuch des Alten Friedhofs, auf dem der jüngste Sohn von Heinrich Günzburger, der Säugling Theodor, begraben ist. Das Grabsteinfragment zeugt gleichsam von der Zerstörung des Friedhofs durch die Nationalsozialisten.

 

Für Hanna G. war der Schlitten von Ralph Eisemann in unserer Ausstellung „Jüdisches Leben in Breisach“ ein zentrales Objekt. Mit ihm lässt sich ein Bogen von einer fröhlichen Kindheit, mit Rodeln am nahen Augustinerberg, zum Hereinbrechen des Nationalsozialismus herstellen. Dies wird durch seine Erzählung an der Hörstation deutlich, wenn er von der Gewalt seiner ehemaligen Schulkollegen berichtet, die ihm die Kufen seines Schlittens in den Bauch rammen.

 

Wir waren begeistert von den gewählten Zugängen, der Vorgehensweise und Methodik, die wir bei den kleinen Führungen reflektiert haben und die stets einen Bezug zum Heute herstellten.

 

Zum Abschluss erhielten alle Teilnehmenden ein Zertifikat.

 

Die Gruppe hat uns in unserem Vorhaben motiviert, dieses Training alljährlich anzubieten. Wer  Interesse daran hat, kann sich gerne bei uns dafür vormerken lassen.

ARTIKEL TEILEN: