01.08.2021

WER LEBTE IM BLAUEN HAUS – WORKSHOP FÜR GRUNDSCHÜLER*INNEN

„Wer lebte im Blauen Haus und was kann uns das Haus erzählen?“ 39 Kinder der Tunibergschule Opfingen wollten dies kurz vor den Sommerferien wissen. Die Zweitklässler kamen gut vorbereitet zu einem Workshop in unsere Gedenkstätte. Beim Ankommen im ehemaligen Wirts- und späteren Schulraum sprudelten die Kinder nur so vor Fragen. Bildungsreferentin Valeska Wilczek war begeistert von ihrer Wissbegierde und Offenheit. Welche Stimmen hat dieser Raum wohl schon gehört und was haben die Menschen darin gemacht? Im Wirtsraum wurde sicher getrunken und gespielt, Karten oder Domino. Vielleicht auch gestritten, gelacht, getanzt! Irgendwann haben darin die jüdischen Kinder die hebräische Sprache gelernt, um die Tora lesen zu können. Die Buchstabiertafel mit dem hebräischen Alphabet bringt die Kinder selbst darauf. Eine Menora, der siebenarmige Leuchter im Raum, lässt den Lehrer Roberto Schweinitzer-Döhl fragen, wie sie das finden, dass man an einem Tag ruht. An die Schöpfung der Welt in sechs Tagen und den Ruhetag, daran erinnert die Siebenzahl. Das fanden alle eine tolle Idee, endlich mal Spielen können und nicht auf Nachrichten auf dem Handy schauen müssen! Wenn das der Erwachsenenwelt nicht zu denken geben sollte!

 

 

Spannend ging der Vormittag weiter durch den Garten und den historischen Keller, in dem die Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert verbaut ist. Gibt es hier Monster? Ein leichtes Gruseln vor Spinnen und Dunkelheit wich schnell Lachen und Interesse an dem alten Gemäuer. Bevor es weiter auf Entdeckungsreise in die ehemaligen Wohnräume des Kantors Eisemann ging, gab es für die Mädchen und Jungen eine kleine Tobepause mit Fangspiel im großen Garten. Im Zimmer der Söhne des Kantors Ralph und Ludwig stellten sich die Kinder vor, wie die beiden wohl gewohnt haben. Der Schlitten von Ralph Eisemann, der an der Wand befestigt ist, ließ sie auch von ihren eigenen Freizeitaktivitäten erzählen. Aus dem jüdischen religiösen Alltag waren die Gebetsriemen der Ururgroßeltern von Alice Kromer aus der direkten Nachbarschaft, die Mesusa am Türrahmen des Gemeindezimmers und der gedeckte Schabbattisch ein Höhepunkt. Gemeinsam lauschten die Kinder dem Hörspiel „Schabbat“. In diesem unterhält sich Clara Eisemann mit der Haushälterin Franziska darüber, was auf den Tisch zum Essen kommt. Was alles für die Vorbereitung des Schabbat vonnöten ist, das konnten die Kinder in aller Ausführlichkeit selbst beantworten.

 

 

 

Nach einer weiteren Pause blieben noch genügend Zeit und Lust durch das ehemalige jüdische Viertel zu gehen. Am Synagogenplatz erhielten die Kinder eine Vorstellung davon, wie das Innenleben der Synagoge aussah. Das war der Arbeitsplatz von Michael Eisemann und so begleitete sein Foto die kleine Exkursion. Am Eingangstor zum Alten Friedhof reichten die Kippot, die Kopfbedeckungen, kaum aus, da auch viele Mädchen eine Kippa tragen wollten. Wie unterscheidet sich dieser Friedhof von einem christlichen Friedhof? Was lässt sich auf den Grabsteinen „lesen“? Auch dazu sammelte Valeska Wilczek viele Ideen und ergänzte sie mit lebendigen Fakten über den Ort. Zum Abschied durfte jedes Kind einen Stein aus einem mitgebrachten Körbchen wählen, um nach jüdischer Tradition diesen auf einem Grabstein zu hinterlassen – als Zeichen der Erinnerung. Der Weg zurück zum Blauen Haus war erfüllt mit den Stimmen des Abschiedskanons „Schalom chaverim“, welchen die Kinder einstudiert hatten. Friede sei mit euch, Freunde!

Text: Valeska Wilczek

Die Kinder betrachten das Foto der Kantorenfamilie Eisemann, welches sie den Vormittag über begleitet.

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