1638 – 1940
Marx Schnatticher, Nathan Ulmo und die Stammväter der Breisacher Familien Günzburger, Geismar und Wormser waren die ersten Juden, die sich nach der Eroberung der habsburgischen Festung Breisach durch den in französischem Sold stehenden Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar im Dezember 1638 in der 1648 an Frankreich abgetretenen und erst 1700 an Österreich zurückgegebenen Stadt niederließen.
Über einhundert Jahre lang bis zur Genehmigung eines eigenen Friedhofs in Breisach (1755) bestatteten die Breisacher Juden ihre Verstorbenen auf dem Verbandsfriedhof im elässischen Mackenheim.
Josef Günzburger (gestorben und begraben 1727 in Mackenheim im Elsass) und seinen guten Beziehungen zum Markgrafen ist die Gründung der anderen südbadischen jüdischen Gemeinden in Ihringen, Eichstetten, Emmendingen, Sulzburg, Müllheim, Lörrach und Efringen-Kirchen Anfang des 19. Jahrhunderts zu verdanken.
Seit 1775 hatten die Breisacher Juden einen eigenen Begräbnisort ganz in der Nähe ihrer Synagoge. Das Wachsen der Gemeinde bis zur rechtlichen Gleichstellung 1862 machte einen neuen Friedhof erforderlich, der 1870 am Isenberg eröffnet wurde.
Auswanderungswellen nach den USA und die rechtliche Gleichstellung der Juden führten zu einer Verkleinerung der Gemeinde, die Mitte des 19. Jahrhunderts am Höhepunkt ihres Wachstums 550 Personen und damit 17 % der Breisacher Bevölkerung zählte.
Hans David Blum, der 1919 in Breisach geboren wurde und 1936 ins Exil ging, hat der jüdischen Gemeinde seiner Vaterstadt mit seinem 1998 in Konstanz erschienenen Buch über die „Juden in Breisach“, das ihre Geschichte bis zur „bürgerlichen Gleichstellung“ der badischen Juden im Jahr 1862 beinhaltet, ein würdiges und liebevolles Denkmal gesetzt.
Noch ungeschrieben ist das letzte und traurigste Kapitel ihrer Geschichte, an deren Ende die Deportation der Breisacher Juden am 22. Oktober 1940 steht.
Diese Aufgabe hat sich der Förderverein gestellt und 1999 begonnen, Kontakte zu den in alle Kontinente verstreuten Breisacher Juden und ihren Nachkommen aufzunehmen, und sie dafür um Unterstützung zu bitten. Seither ist ein Familienarchiv im Aufbau.
Die ersten Toten waren im November 1938 zu beklagen: zwei Männer und Kantor Eisemann überlebten die Haft im Konzentrationslager Dachau nicht. 1940 und 1941 fielen vier jüdische Breisacher Bürger den Tötungen von psychisch Kranken und Behinderten zum Opfer. Viele Breisacher wurden aus den Orten ihrer Flucht oder ihrer kriegsbedingten Evakuierung deportiert und ermordet. Diejenigen, die aus Breisach, Freiburg und anderen Orten in Baden ins Camp de Gurs in Südfrankreich deportiert worden waren, und nicht schon dort an den katastrophalen Bedingungen starben oder sich befreien konnten, wurden ab August 1942 über Drancy nach Auschwitz-Birkenau, Majdanek oder Sobibor deportiert und ermordet. Im Gedenkbuch finden sich mehr als 100 Einträge, die an die Breisacher Opfer erinnern.
„Was Auschwitz-Birkenau war, wird niemand mehr beschreiben können. Wie soll man den Menschen gerecht werden, die hier zum letztenmal die Sonne, die Sterne und den Mond gesehen haben, jenen Müttern, die hier zum letztenmal ihre Kinder gesehen haben? Wie soll man sie zumindest für einen kurzen Augenblick zum Leben nach dem Tod erwecken? Jeder von ihnen war jemand gewesen – meine Mutter, mein Vater, mein Bruder, meine Schwester.“ (Arnost Lustig)