Geschichte
Wir laden Sie ein, sich auf die Spuren jüdischen Lebens in Breisach zu begeben, dessen Beginn sich bis ins 14. Jahrhundert nachvollziehen lässt. Die Geschichte des Blauen Hauses selbst ist Teil dieses Lebens, in seiner ehemaligen Funktion als jüdische Konfessionsschule, als Gemeindehaus und Wohnung der jeweiligen Kantoren. Die Geschichte des Vereins macht deutlich, wie es gelang, das Blaue Haus zu retten und welche Bedeutung die Gründungsmitglieder und heutigen Akteure der jüdisch-christlichen Geschichte in Breisach und am Oberrhein beimessen.
1691 – 1829
Vor 1691 durfte im zur Bebauung freigegebenen Stadtgraben an der alten Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert mitten im jüdischen Viertel am Fuß des Münsterberges ein kleines zweistöckiges Haus gebaut werden, dessen Fundamente im Keller des Blauen Haus zu sehen sind. Wenig später wurde der östlich gelegene größere Teil des Hauses errichtet. 140 Jahre lang war es das Gasthaus „St. Peter“ im Eigentum von Christen.
MEHR ERFAHREN
1829 – 1876
Die jüdische Gemeinde erwarb das Haus, um eine Schule für ihre Kinder einzurichten; zeitweise wurde es als Jüdisches Armenspital genutzt.
MEHR ERFAHREN
1876 – 1933
Nach 1876 erlebte das Haus verschiedene Nutzungen. Von 1893 bis 1898 wurden Teile der in Breisach stationierten Garnison untergebracht. Danach wurde es als Gemeindehaus genutzt; die Kantoren mit ihren Familien lebten hier, nachdem das Bezirksrabbinat 1885 nach Freiburg verlegt worden war.
MEHR ERFAHREN
1933 – 1945
Nach dem 30. Januar 1933, an dem die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler die Macht übernahmen und eine Diktatur errichteten, begann die Verfolgung auch der Jüdischen Gemeinde von Breisach.
MEHR ERFAHREN
1945 – 2000
Der Zwangsverkauf von 1941 an die Gugel-Werke Freiburg, die eine Werkstätte für Militärprodukte einrichteten, wurde 1953 unter französischem Besatzungsrecht rückgängig gemacht. Nach der Rückgabe (Restitution) an den Oberrat der Israeliten Badens verkaufte dieser das Haus 1955 an Selma Ziehler, die einzige Jüdin, die mit ihrer Familie von der Deportation ausgenommen worden war und überlebt hatte. Von einem Enkel Selma Ziehlers erwarb der Förderverein das Haus im Juli 2000.
MEHR ERFAHREN
2002 – 2003
Das Haus wurde vor allem mit Unterstützung der Denkmalpflege von der Firma Domiziel, Neustadt, sorgfältig saniert: im April 2002 konnte der Vortragsraum im Erdgeschoss eröffnet werden.
MEHR ERFAHREN
2003 – 2018
Seit 2003 werden jedes Jahr viele Hundert, inzwischen sind es mehr als 2000 Besucher empfangen. Neben der Tilgung von Schulden wird die Gedenk- und Begegnungsstätte aufgebaut.
MEHR ERFAHREN
1998
Von 1994 bis 1998 diskutierten der Gemeinderat und die Bürger:innen der Stadt über den Vorschlag, die frühere „Judengasse“ endlich wieder so zu benennen. 1933 war sie auf Anordnung der Nationalsozialisten in „Rheintorstraße“ umbenannt worden. Der Gemeinderat entschied sich für einen Kompromiss: „Rheintorstraße ehemalige Judengasse“.
MEHR ERFAHREN
1999
Ralph Eisemann wollte seinen drei Enkelinnen zeigen, wo die Familie ihre Wurzeln hatte. Sein Elternhaus, das ehemalige jüdische Gemeindehaus, konnte besichtigt werden.
MEHR ERFAHREN
2000
Im Juli wurde der Kaufvertrag für das Haus geschlossen. Eine intensive Planungsphase für die Renovierung und die Nutzung begann.
Anlässlich des 60. Jahrestages der Auslöschung der Breisacher und aller jüdischen Gemeinden in Baden am 22. Oktober 1940 lud der Verein mit der Stadt Breisach zu einer „Woche der Begegnung“ ein.
MEHR ERFAHREN
2001
Der Förderverein schloss sich dem Netzwerk „Alemannia Judaica“ an und lud zur Jahrestagung nach Breisach ein. Im Netzwerk trafen sich einmal im Jahr Archivar:innen, Historiker:innen und Initiator:innen von Erinnerungsorten, die sich die Bewahrung des Erbes der deutschsprachigen jüdischen Gemeinden in Vorarlberg (Österreich), in der Nordschweiz, im Elsass und in Südwestdeutschland zum Ziel gesetzt haben.
MEHR ERFAHREN
2002
Willi Sutter und seine Firma „Domiziel“ übernahmen die Verantwortung für die Restaurierung des Hauses. Die Denkmalpflege sagte finanzielle Unterstützung zu; der Landkreis und die Stadt Breisach und viele Spender:innen beteiligten sich. Bis zur Fertigstellung war es ein langer Weg.
MEHR ERFAHREN
2003
Im Juni wurde das renovierte Haus eingeweiht und heißt seitdem „Blaues Haus“. Das Programm brachte die Gäste, die aus vielen Ländern angereist waren, in Gespräche mit Schüler:innen.
MEHR ERFAHREN
2004
Im Blauen Haus fand eine dreisprachige internationale Tagung über die ersten Familien der Breisacher Jüdischen Gemeinde im 17. Jahrhundert am Beispiel der Familie Geismar statt. Einige Holocaustüberlebende und viele Nachkommen von Breisacher Juden nahmen teil.
MEHR ERFAHREN
2005
Im Mai zeigte das Blaue Haus Fotos vom zerstörten Breisach. Gerald Schwab (1925–2014) hatte als US Soldat 1945 und 1946 die Heimatstadt seiner Eltern besucht. Er war einer von mehreren US-Soldaten mit Wurzeln in Breisach, die für die Befreiung Europas von den Nationalsozialisten gekämpft hatten.
MEHR ERFAHREN
2006
Die „Friends of the Blue House“ in New York unterstützten zwei jüdische Choreografen, Aviva Geismar und Jonathan Hollander, dabei, die „Tänze für das Blaue Haus“ nach Freiburg und Breisach zu bringen.
MEHR ERFAHREN
2007
Die Jahrestagung wurde vom Blauen Haus, dem Bürgermeister von Mackenheim und der „Gesellschaft für die Geschichte der Juden im Elsass und in Lothringen“ (SHIAL) vorbereitet und fand in Breisach und Mackenheim statt.
MEHR ERFAHREN
2008
Die aus Müllheim stammende Familie Zivi/Zivy traf sich zu einer Familientagung in Breisach.
Schüler:innen am Martin-Schongauer-Gymnasium arbeiteten mehrere Wochen zu vielfältigen Themen anlässlich des 70. Jahrestages der Novemberpogrome. Im „Blauen Heft 1“ mit dem Titel „Die Synagoge brennt“ wurden die Ergebnisse der Schülerinnen vorgestellt.
MEHR ERFAHREN
2009
2010
Siebzig Jahre nach der Deportation der badischen Jüdinnen und Juden kamen jüdische Gäste, um in Breisach an ihre Familien und die Auslöschung der Gemeinde zu erinnern: 300 Jahre Jüdische Gemeinde Breisach.
MEHR ERFAHREN
2011
Die Kinderoper „Brundibar“ von Hans Krása kam nach Breisach. Sie war im Konzentrationslager Theresienstadt aufgeführt worden. Die Kinder des Kinderchors der Münsterpfarrei St. Stephan und des Chors der Hugo-Höfler-Realschule konnten Inge Auerbacher (geboren 1934 in Kippenheim) zuhören.
MEHR ERFAHREN
2012
2013
Von der Holzbildhauerin und Biologin Heike Endemann wurde eine Skulptur für das Blaue Haus hergestellt. Sie war ein Geschenk der Leopold Model Stiftung in New York. Jonathan Hollander und die „Battery Dance Company New York“ nahmen die Enthüllung der Skulptur vor und präsentierten Tanzskulpturen in den Räumen des Blauen Hauses sowie ein Abendprogramm mit Choreografien.
MEHR ERFAHREN
2014
Schüler:innen der Hugo-Höfler Realschule Breisach bereiteten sich im Januar auf den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar vor, um an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zu erinnern. Sie wollten das Gelernte an ihre Mitschüler:innen und die Öffentlichkeit weitergeben.
MEHR ERFAHREN
2015
Gemeinsam gestalteten die Stadt Breisach und der Förderverein den Platz rund um die neue Skulptur von Heike Endemann. Er wurde im Juni eingeweiht und bekam den Namen Michael-Eisemann-Platz. Der Kantor und Lehrer Eisemann hatte mit seiner Familie im Gemeindehaus gelebt. Nachkommen der Breisacher jüdischen Familien aus aller Welt reisten an.
MEHR ERFAHREN
2016
Inzwischen ist der Schuldenberg des Fördervereins abgetragen.
Seit Mai 2015 trafen sich an jedem Freitagnachmittag Flüchtlinge und eine Helfer:innengruppe im Blauen Haus, um gemeinsam ein Essen vorzubereiten. Vor- und hinterher wurde gespielt, gesprochen oder gelernt, Fahrräder zu reparieren.
MEHR ERFAHREN
2017
Das Blaue Heft 2 wurde Günter Boll gewidmet und erschien wiederum im modo Verlag Freiburg. Es wurde im Museum für Stadtgeschichte Breisach am Rhein vorgestellt. Hier gab eine Ausstellung Auskunft über Günter Boll als Mensch und Forscher. Er hatte z.B. 1981 die Genisa von Mackenheim gerettet.
MEHR ERFAHREN
2018
Das Blaue Haus sah jetzt viele Kinder und Jugendliche in seinen Räumen. Es wurde gemalt, geforscht, gezeichnet und nachgedacht.
Am 24. Juli waren die Landtagspräsidentin Muhterem Aras mit ihrem Stab und Sybille Thelen, Leiterin des Gedenkstättenreferats der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg in Stuttgart, zu Gast.
MEHR ERFAHREN
2019
In den ehemaligen Wohnräumen von Familie Eisemann und im Gemeindezimmer im ersten Stockwerk des Blauen Hauses entstand eine Dauerausstellung. Raumtexte, Hörstationen und wenige Ausstellungsobjekte führen seitdem die Besucher:innen in das Jahr 1931.
MEHR ERFAHREN
2020
Das Projekt des Blauen Hauses „Spurensuche Breisach-Gurs-Auschwitz“ wurde drei Jahre lang von der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Programms „Jugend erinnert“ gefördert.
Im Mittelpunkt stand die Erforschung der Schicksale von Breisacher Jüdinnen und Juden, die im Oktober 1940 aus der Heimat nach Südfrankreich deportiert wurden.
MEHR ERFAHREN
2021
Wegen der Corona-Pandemie fand die Studienreise nach Polen im Rahmen des Bundesprojekts „Jugend erinnert“ ein Jahr später als geplant statt. Eine elfköpfige Gruppe und ein Baby trafen nach einer mehrmonatigen Vorbereitung in Breisachs Partnerstadt Oświęcim ein. In einem Tagebuch wurden Eindrücke und Erlebnisse festgehalten.
MEHR ERFAHREN
2021
Die Wanderausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“ Berlin wurde mit zehn Tafeln zur Lokal- und Regionalgeschichte ergänzt und im Garten des Blauen Hauses fest installiert.
MEHR ERFAHREN
2022
Die Normalisierung nach der Pandemie zeigte, dass sich ein lebhaftes Interesse an allen Ausstellungen im Blauen Haus entwickelte, im Garten, im ehemaligen jüdischen Viertel und im Zentrum der Stadt.
Mit dem „Dokumentationszentrum Nationalsozialismus der städtischen Museen Freiburg“ wurde eine gemeinsame Veranstaltungsreihe zum Thema der Ausstellung „Gurs 1940“ durchgeführt.
MEHR ERFAHREN
2023
Mit der Installation der Fotowand „Leben in Breisach vor 1940“ in einem letzten Raum des Obergeschosses wird das Miteinander von jüdischen und christlichen Bürgerinnen und Bürgern, Familien und Freunden erfahrbar.
Mit der Präsentation von Gruppenfotos und Portraits in der neuen Ausstellung, erhalten viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde ein Gesicht.
MEHR ERFAHREN
GESCHICHTE DER JUDEN IN BREISACH
Dreimal in siebenhundert Jahren haben Juden in dieser Stadt gelebt, gelitten und gebetet: „Sei nur in Gott getröstet, mein Geist; denn meine Hoffnung kommt von ihm. Nur er ist Fels und Rettung mir; nein, stürzen werd‘ ich nicht. Mein Heil und meine Würde ist bei Gott; mein Schutzfels, meine Zuversicht ist er.“
MEHR ERFAHREN
Vor 1301 – 1349
Vor 1301 – 1349
Nur Kaufleuten erlaubte ein 1185 zwischen dem Basler Bischof Heinrich und König Heinrich V. geschlossener Vertrag die Ansiedlung auf dem Breisacher Berg.
„Smariant der Jude von Breisach unser Bürger“ und seine Söhne, sein Nachbar Salmann von Bern, Viveli, Löwe und Gutela: Unabgesondert von ihren christlichen Nachbarn genossen auch jüdische Geschäftsleute dieses Vorrecht und wohnten dreißig Jahre vor dem gewaltsamen Ende ihrer Gemeinde auf dem mons brisiacus.
1376 – 1424
Abt Ludwig und der Konvent des Klosters Pairis verkaufen dem „weisen und bescheidenen Juden“ Vivilkind am 1. Februar 1376 für 125 Goldgulden das auf dem Breisacher Berg gelegene Haus zum Löwen, das an der Ostseite der heutigen Radbrunnenallee stand und an den „vicus Leonis“ stieß.
MEHR ERFAHREN
1638 – 1940
Marx Schnatticher, Nathan Ulmo und die Stammväter der Breisacher Familien Günzburger, Geismar und Wormser waren die ersten Juden, die sich nach der Eroberung der habsburgischen Festung Breisach durch den in französischem Sold stehenden Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar im Dezember 1638 in der 1648 an Frankreich abgetretenen und erst 1700 an Österreich zurückgegebenen Stadt niederließen.
MEHR ERFAHREN
Gedenkbuch
Seit der Gründung 1999 hat sich der Förderverein auf die Suche nach den Opfern der nationalsozialistischen Gewalt unter den Breisacher Juden begeben und dabei Unterstützung von den jüdischen Familien weltweit erfahren.